Wie wichtig ist eine Heilerlaubnis für die Paartherapie?

Wie wichtig ist eine Heilerlaubnis für die Paartherapie?

Wer als Paar auf der Suche nach Unterstützung ist, begegnet im Internet schnell einer scheinbar klaren Botschaft: Je offizieller der Titel, desto qualifizierter der Therapeut. Viele Paartherapeuten stellen die Heilerlaubnis – sei es als Heilpraktiker:in, approbierte:r Psychotherapeut:in oder Ärzt:in – sehr prominent dar. Für Ratsuchende entsteht dadurch verständlicherweise der Eindruck: „Wenn jemand eine Heilerlaubnis hat, muss er oder sie besonders gut in Paartherapie sein.“ Doch dieser Eindruck ist fachlich betrachtet - aus meiner Sicht - irreführend. Denn Paartherapie richtet sich nicht an „Kranke“. Sie richtet sich an Menschen, die ihre Beziehung verstehen, entwickeln oder stabilisieren möchten – an Paare, die in einem wichtigen Lebensbereich Klarheit, Nähe und Orientierung suchen. 

Eine Heilerlaubnis sagt ausschließlich aus, dass jemand rechtlich befugt ist, Heilkunde auszuüben. Sie sagt nicht aus, dass diese Person über eine spezifische, fundierte oder umfassende Ausbildung in Paartherapie verfügt.

Und dennoch stellt sich auch für Paartherapeut:innen in Deutschland die Frage: Braucht man wirklich eine Heilerlaubnis, um diese Arbeit rechtlich sauber und steuerlich sinnvoll anbieten zu können?  Diese Frage ist nicht nur komplex, sondern auch emotional aufgeladen, weil sie eine merkwürdige Lücke offenbart: Zwischen dem, was Paartherapie inhaltlich ist – und dem, wie sie rechtlich eingeordnet wird.

In diesem Beitrag möchte ich transparent machen, warum ich mich mit dieser Frage beschäftigt habe, welche Rolle die Heilerlaubnis tatsächlich spielt und warum sie fachlich nichts darüber aussagt, ob jemand gute Paartherapie anbietet.

Paartherapie ist keine Heilbehandlung – und soll es auch nicht sein

Im Kern geht es in der Paartherapie um:

  • Kommunikation
  • Bindung
  • Verletzungen und Bedürfnisse
  • Entwicklung als Paar
  • Verständnis füreinander
  • Verhaltens- und Wahrnehmungsmuster
  • und manchmal auch um Neuorientierung

Das sind zutiefst menschliche Themen, aber keine diagnostischen Kategorien. Paartherapie arbeitet mit gesunden Menschen in belasteten Situationen – nicht mit „Kranken“ im medizinischen Sinne. Deshalb ist Paartherapie auch keine Kassenleistung. Und deshalb ist es völlig verständlich, wenn man fragt: „Warum sollte ich einen Heilpraktikerschein oder eine Approbation (als Psychotherapeut oder Arzt) brauchen, um mit Paaren arbeiten zu dürfen?“ Fachlich ist die Antwort: Du brauchst ihn nicht. Paartherapie ist keine Heilbehandlung, sondern eine eigenständige Form der Beziehungsarbeit.

Und doch: Steuerrechtlich sieht die Welt anders aus

So klar die fachliche Logik ist – so irritierend ist die steuerliche. Denn nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht (§ 4 Nr. 14 UStG) sind nur diejenigen Leistungen steuerbefreit, die unter den Begriff der „Heilbehandlung“ fallen. Und dazu zählt der Gesetzgeber:

  • Ärzt:innen
  • Psychotherapeut:innen
  • und Heilpraktiker:innen

Nicht gelistet sind: Coaches, Berater:innen, Paartherapeut:innen ohne Heilerlaubnis, Systemische Berater:innen, Mediator:innen oder auch Supervisor:innen. Auch wenn viele von ihnen hochkompetent arbeiten.

Das bedeutet konkret: Wer keine Heilerlaubnis besitzt, muss Paartherapie steuerlich wie Beratung behandeln. Das führt zur Umsatzsteuerpflicht, die 19% Preisaufschlag für jede Rechnung zur Folge hat. Nicht, weil die Arbeit medizinisch wäre. Sondern weil das Gesetz keine Kategorie für „professionelle Paartherapie“ kennt.

Diese Lücke erzeugt eine paradoxe Situation: Fachlich braucht man keine Heilerlaubnis. Steuerlich wird es damit aber deutlich einfacher – und für Klient:innen günstiger. Das ist ein Systemfehler, kein fachlicher!

Exkurs: Approbation als Psychotherapeut - zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Ich selbst habe Kommunikationswissenschaft, Psychologie und Soziologie studiert. Lange zweifelte ich daran, dass ich als Paartherapeut ohne Approbation arbeiten wolle und könne. Mein Anspruch und mein Selbstbild mit Blick auf meinen akademischen Status legten mir nahe, nur mit einer Approbation oder einer klinischen Psychologie-Ausbildung sinnvoll als Paartherapeut arbeiten zu können. 

Ich nahm an, dass Paartherapie zwingend an diagnostische Kompetenz, Störungswissen und klinische Erfahrung geknüpft sei – weil das schließlich die gängigen Berufswege im psychologischen Kontext sind. Und ich denke, dass die Perspektive von vielen Menschen geteilt wird, die die fachliche Eignung eines Paartherapeuten oder einer Paartherapeutin einzuschätzen versuchen.

Je intensiver ich mich mit der fachlichen Landschaft der Paartherapie, den zugrunde liegenden Modellen und der internationalen Forschung beschäftigt habe, desto klarer wurde mir: Die Approbation ist keine fachliche Voraussetzung für Paartherapie. Sie qualifiziert auch nicht entscheidend für Paartherapie. Klinische Psychotherapie und Paartherapie sind unterschiedliche Arbeitsfelder und setzen verschiedene Kompetenzenprofile voraus.

Exkurs: Heilpraktiker - zwischen Tradition und fehlender Regulierung

Das Heilpraktikergesetz stammt aus dem Jahr 1939. Seitdem wurde es nur minimal angepasst. Das führt zu einer merkwürdigen Situation: Während moderne Gesundheitsberufe hochgradig reguliert und an klare Ausbildungswege gebunden sind, basiert die Tätigkeit als Heilpraktiker auf einer Erlaubnis, die nicht mit einer einheitlichen, qualifizierenden Ausbildung gekoppelt ist.

Das Problem liegt nicht bei den Menschen, die diesen Weg wählen, sondern in der Regelung, die den Zugang ermöglicht. Sie schafft einen Beruf, der in der Praxis hochsensible Tätigkeiten ausübt, aber dessen gesetzliche Grundlage nicht definiert, welche Kompetenzen tatsächlich erforderlich sind. Für seriös arbeitende Kolleg:innen ist das genauso herausfordernd wie für kritische Beobachter:innen.

Heilerlaubnis ≠ Qualifikation in Paartherapie

An dieser Stelle ist mir ein Punkt sehr wichtig: Die Heilerlaubnis sagt nichts darüber aus, ob jemand gute Paartherapie leisten kann.

Ein Heilpraktikerschein befähigt zu:

  • Grundkenntnissen in Anatomie, Physiologie und Pathologie,
  • rechtlichen Grundlagen der Heilkunde,
  • Diagnostik psychischer Störungen und
  • Abgrenzung zu ärztlichen Tätigkeiten.

Und eine Approbation qualifiziert Psychotherapeut*innen insbesondere dafür, 

  • psychische Störungen mit Krankheitswert zu diagnostizieren,
  • diese nach wissenschaftlichen Verfahren zu behandeln,
  • Krankenkassenleistungen abzurechnen,
  • mit Einzelpersonen therapeutisch zu arbeiten.

Kein Zweifel! Diese Ausbildung zum Heilpraktiker und/oder Psychotherapeuten ist anspruchsvoll und wertvoll – aber sie ist nicht auf Paardynamiken ausgelegt. Sie ist nicht darauf ausgelegt, zwei Menschen gleichzeitig zu halten, Konfliktmuster zwischen ihnen zu entschlüsseln oder emotionale Prozesse im dyadischen System zu begleiten. Beide Berufswege beinhalten keine systematische Ausbildung in Paartherapie – viele Approbierte betonen deshalb selbst, dass sie Paartherapie erst durch zusätzliche, oft sehr umfangreiche Weiterbildungen erlernen mussten.

Kurz: die Heilerlaubnis bereitet nicht auf die wesentlichen Herausforderungen und Themen der Paartherpie vor, z.B. Entwicklungsmodelle, Bindungstheorie in Paarbeziehungen, Paardynamiken, Konfliktregulation, Kommunikationsmuster, Verletzungen und Bindungswunden, Sexualität in Paarbeziehungen, Veränderungsprozesse zwischen zwei Menschen etc.

Das heißt: Die Heilerlaubnis macht niemanden zu einem guten Paartherapeuten. Die Heilerlaubnis vermittelt im Zusammenhang mit Paartherapie im Wesentlichen aber Status und Reputation. Und die Heilerlaubnis erlaubt das steuerfreie Arbeiten!

Transparenz statt Vermischung

Aus meiner Sicht ist es wichtig, diese beiden Ebenen nicht zu vermischen:

  • die fachliche Qualifikation in Paartherapie
  • die rechtliche und steuerliche Rahmenbedingung durch die Heilerlaubnis

Das fachliche Fundament eines Paartherapeuten oder einer Paartherapeutin entsteht durch fundierte Fortbildungen, methodische Ausbildung, Selbsterfahrung, Supervision, persönliche Reife und viel praktische Erfahrung mit Paaren. Das ist die Qualitätsebene, auf die es wirklich ankommt.

Viele Paartherapeuten, Heilpraktiker und/oder approbierte Psychotherapeuten stellen beides nebeneinander, sodass leicht der Eindruck entsteht, als wäre der Heilpraktikerschein oder die Approbation eine inhaltliche Voraussetzung für gute therapeutische Beziehungsarbeit mit Paaren. Aus meiner Sicht ist das irreführend.

Ich halte es für fair, offen darüber zu sprechen:

  • dass Paartherapie kein medizinischer Akt ist
  • dass sie keine Diagnosen braucht
  • dass sie gesunden Menschen hilft
  • dass der Heilpraktikerschein fachlich kaum relevant ist
  • dass er aber steuerlich und rechtlich Vorteile bietet, die man nicht ignorieren kann

Diese Ehrlichkeit dient am Ende den Klient:innen – und dem Berufsbild Paartherapie.

Was ich für meine Praxis daraus ableite

Für meine eigene Arbeit bedeutet das Folgendes: Ich strebe eine Heilerlaubnis an – nicht aus fachlichen Gründen, sondern ausschließlich aufgrund der rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen. Paartherapie lebt davon, zwei Menschen in ihrer Interaktion zu verstehen – nicht davon, Diagnosen zu vergeben. Paartherapie ist Beziehungsarbeit – nicht Krankenbehandlung. Und das ist aus meiner Sicht der entscheidende Punkt. Trotzdem: Solange ich keine Heilerlaubnisbesitze, wirkt sich das steuerlich unmittelbar auf meine Preisgestaltung aus.

Von daher bemühe ich mich, meine Honorare so zu kalkulieren, dass sie für Paare fair und gut tragbar bleiben - auch wenn ich derzeit Umsatzsteuer abführen muss. Ich versuche diese Mehrbelastung soweit wie möglich selbst aufzufangen, damit sie für meine Klient:innen kein Kostentreiber wird.

Und wenn meine Heilerlaubnis in Zukunft vorliegen wird, bedeutet das nicht, dass Paartherapie bei mir plötzlich günstiger wird – sondern lediglich, dass ich wirtschaftlich stabiler, ohne Umsatzsteuerlast kalkulieren und rentabler arbeiten kann. Die Qualität meiner Arbeit bleibt davon unberührt.

Wichtig ist mir, dass Paare wissen: Meine Preisgestaltung richtet sich nicht nach Titeln, sondern nach dem Anspruch, professionelle Paartherapie zu einem fairen, transparenten und verantwortungsvollen Rahmen anzubieten.