Problemlösung in der moderne Paartherapie: "Nicht du, nicht ich - unser Muster!"

Problemlösung in der moderne Paartherapie: "Nicht du, nicht ich - unser Muster!"

Die meisten Paare kommen mit einem klaren Anliegen in die Paartherapie: Ein Problem soll gelöst werden. Ein wiederkehrender Streitpunkt, ein Konflikt, der die Beziehung blockiert, eine Krise, die sich alleine nicht mehr bewältigen lässt. Dieser Wunsch ist menschlich, verständlich – und immer der Ausgangspunkt. Doch ein zentraler Gedanke moderner, integrativer Paartherapie lautet: Probleme lassen sich nur dann nachhaltig lösen, wenn man sich dem Prozess widmet, der zu ihnen geführt hat.

Moderne Paartherapie setzt nicht beim Symptom an, sondern bei dem, was unterhalb des Problems wirkt: Emotionen, Muster, Schutzreaktionen, Bindungsbedürfnisse und Entwicklungsaufgaben. Diese Herangehensweise kann für Paare irritierend sein, manchmal auch frustrierend. Paare wünschen sich schnelle Lösungen, doch ein ehrlicher Therapeut verspricht sie nicht – nicht, weil er sie verweigern will, sondern weil nachhaltige Lösungen dort entstehen, wo die Dynamik sich verändert, nicht wo der Inhalt liegt.

Genau hier setzt meine therapeutische Arbeit an. Sie fußt nicht auf einer einzigen Methode, sondern auf einem integrativen Verständnis aus mehreren wissenschaftlich fundierten Schulen:

    Gottman-Forschung: Muster sind der Kern, nicht das Thema

    John und Julie Gottman zeigen in ihren jahrzehntelangen Studien, dass Paare sich selten an dem Problem trennen, das sie zu Beginn benennen. Viel häufiger scheitern sie an den Interaktionsmustern, die im Umgang mit Problemen entstehen: Kritik, Abwehr, Rückzug oder Verachtung.

    Gottmans Erkenntnis: „Es geht nicht um die Frage was das Problem ist, sondern wie Paare über das Problem sprechen.“ Deshalb beginnt moderne Paartherapie nicht mit Lösungsstrategien, sondern damit, die zugrunde liegende Dynamik sichtbar zu machen.

    EFT: Emotionale Sicherheit macht Problemlösung erst möglich

    In der Emotionsfokussierten Paartherapie (EFT) geht es zunächst nicht um das Problem selbst, sondern um die Gefühle, Bedürfnisse und Verletzlichkeiten, die im Hintergrund wirken. Ein Problem ist oft nur der Auslöser – die eigentliche Schwierigkeit ist, dass ein Partner sich nicht gehört, nicht verstanden oder nicht sicher fühlt. Erst wenn diese emotionale Ebene zugänglich wird, können Paare klar denken, ruhig sprechen und echte Lösungen finden.

    Das Entwicklungsmodell: Probleme zeigen, wo Beziehung wachsen möchte

    Nach Bader & Pearson sind Konflikte Ausdruck unterschiedlicher Entwicklungsbedürfnisse: Autonomie, Nähe, Identität, Sicherheit. Probleme verweisen also weniger auf einen „Fehler“, sondern auf ein Wachstumsfeld. Eine Lösung kann erst entstehen, wenn Paarpartner sich selbst und einander besser verstehen – und innerlich beweglicher werden.

    Esther Perel: Probleme als Spannungen zwischen Bindung und Freiheit

    Perel betont, dass viele partnerschaftliche Konflikte Ausdruck zweier Grundbedürfnisse sind: Nähe und Selbstbestimmung. „Das Problem“ ist oft ein Symptom dieser Spannung. Therapie löst weniger das Problem als vielmehr das innere Dilemma, das es erzeugt.

    Warum moderne Paartherapie keine schnellen Lösungen verspricht

    Viele Paare wünschen sich eine klare Ansage: „Wir arbeiten an diesem Thema, und danach ist es gelöst.“ Doch ein erfahrener Paartherapeut wird – ehrlich und verantwortungsvoll – zunächst gerade nicht versprechen, dass das konkrete Anliegen im Zentrum stehen wird. Nicht, weil es unwichtig wäre, sondern weil nachhaltige Veränderung nicht auf der Ebene der Lösungen, sondern auf der Ebene des Prozesses entsteht.

    Probleme lösen sich oft erst dann,

    • wenn die Kommunikation sicherer wird,
    • wenn Emotionen verstanden statt abgewehrt werden,
    • wenn beide Partner ihre Muster erkennen,
    • und wenn das Beziehungsfundament stabiler ist.

    Ein schnelles „Problem-Solving“ kann kurzfristig erleichtern, führt aber selten zu langfristiger Veränderung.

    Der prozessorientierte Ansatz moderner Paartherapie

    Schritt 1: Das Muster verstehen

    Therapie beginnt mit dem Erkennen der Interaktionsschleife. Gottman nennt sie „negativer Zyklus“, EFT spricht vom „Dämonentanz“, das Entwicklungsmodell vom „symbiotischen Konflikt“. Der Inhalt des Problems ist dabei sekundär – entscheidend ist: Wie reagieren die Partner aufeinander, wenn es schwierig wird?

    Schritt 2: Emotionen zugänglich machen

    EFT zeigt klar: Paare lösen Probleme nicht, wenn sie in Verteidigung, Angriff oder Rückzug gefangen sind. Therapeutische Arbeit bedeutet daher:

    1. Emotionen verlangsamen
    2. zugrunde liegende Bedürfnisse sichtbar machen
    3. Verletzlichkeit ermöglichen, ohne Überforderung

    Erst dann entsteht ein Klima, in dem Lösungen überhaupt angenommen werden können.

    Schritt 3: Entwicklung ermöglichen

    Das Entwicklungsmodell betont, dass Beziehung nicht repariert, sondern weiterentwickelt wird. Probleme sind Signale, dass etwas gelernt werden möchte: mehr Autonomie, mehr Selbstverantwortung, mehr Bindungskompetenz.

    Schritt 4: Lösungen entstehen von selbst – als Folge, nicht als Ziel

    Wenn der Prozess gelingt, „lösen“ Paare oft ihr Problem, ohne dass es im Zentrum stand. Der Umgang miteinander verändert sich – und dadurch verschwinden viele Symptome von allein.

    Eric Hegmann: Prozessorientierung und Selbstverantwortung statt Problemfixierung

    Erik Hegmann betont in seiner Arbeit einen Grundgedanken, der für viele Paare anfangs überraschend ist: Die meisten Menschen kommen mit der tiefen Überzeugung in die Paartherapie, dass das Problem beim Partner liegt. Ein Partner ist zu emotional oder zu zurückhaltend, zu kritisch oder zu passiv, zu distanziert oder zu vereinnahmend. Doch Hegmann betont: Veränderung entsteht nicht, wenn wir warten, dass der andere sich ändert. Veränderung beginnt, wenn wir Verantwortung für unseren eigenen Beitrag übernehmen.

    Aus seiner Sicht – die sich eng an das Entwicklungsmodell und an moderne bindungs- und emotionsorientierte Verfahren anschließt – entstehen nachhaltige Veränderungen nur dann, wenn beide Partner bereit sind, den Fokus umzulenken: weg von den Defiziten des anderen, hin zu den eigenen Möglichkeiten, die Dynamik zu beeinflussen.

    Er nennt das autonome Ziele: Ziele, die nicht darauf warten, dass der Partner sich verändert, sondern darauf beruhen, was jede*r individuell beitragen kann. Ein autonomes Ziel lautet nicht: „Ich will, dass du anders wirst“, sondern: „Ich will lernen, anders zu reagieren, präsenter zu bleiben, klarer zu kommunizieren, Grenzen zu setzen oder offener zuzuhören.“

    Diese Haltung ist zutiefst prozessorientiert – ein Kernprinzip seiner gesamten therapeutischen Arbeit. Prozesse verändern Beziehungen, nicht Einzelmaßnahmen oder schnelle Lösungen. Ein Paar kann einen Konflikt inhaltlich lösen, ohne dass sich die Beziehung stabilisiert; aber wenn der Prozess sich verändert – die Art des Umgangs, die emotionale Präsenz, die Bereitschaft zur Selbstverantwortung –, verändert sich die Beziehung als Ganzes.

    Hegmann beschreibt die therapeutische Arbeit deshalb nicht als Reparatur oder Verhaltenstraining, sondern als Entwicklungsschritt, der bei jedem Einzelnen beginnt.

    Das bedeutet:

    • Die Verantwortung für die eigene Wirkung anzunehmen.
    • Eigene Muster zu erkennen – nicht nur die des Partners.
    • Aufzuhören, auf äußere Veränderung zu warten.
    • Selbst den ersten Schritt zu gehen.

    Diese Haltung entspricht dem, was auch EFT, das Entwicklungsmodell und die Gottman-Forschung nahelegen: Paare verändern sich nicht dadurch, dass der Therapeut Inhalte löst, sondern dadurch, dass sie lernen, in sich selbst etwas zu bewegen, das dem gemeinsamen Miteinander eine neue Qualität ermöglicht.

    Prozessorientierung bedeutet bei Hegmann: Nicht das Problem steht im Mittelpunkt, sondern die Art und Weise, wie zwei Menschen sich im Angesicht des Problems begegnen. Und genau hier beginnt echte Veränderung – nicht beim Verhalten des anderen, sondern beim eigenen emotionalen, kognitiven und kommunikativen Beitrag.

    5. Fazit: Problemlösung ist kein Ziel – sie ist ein Ergebnis

    Moderne Paartherapie verspricht keine schnelle Reparatur. Aber sie bietet etwas Wertvolleres: einen Raum, in dem Paare verstehen, warum sie an bestimmten Punkten feststecken – und wie sie gemeinsam daraus finden können.

    Probleme lösen sich nicht, indem man sie direkt bekämpft. Sie lösen sich, wenn:

    • die Beziehung sicherer wird,
    • Emotionen verstanden werden,
    • Muster durchschaubar werden,
    • und beide Partner beginnen, einander anders zu begegnen.

    Problemlösung ist kein Anfangspunkt – sie ist die natürliche Folge eines gelungenen therapeutischen Prozesses.